Norwegen und die Monarchie
Die Jahrhunderte von der Einigung des Reiches übers Mittelalter bis hin zum Jahre 1814 lassen wir liegen. Wichtiger ist die Loslösung Norwegens von Dänemark im Jahre 1814 und später -- 1905 -- die von Schweden.
Von größter Bedeutung ist vielleicht die Erlangung der uneingeschränkten Souveränität im Jahre 1905. Auch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs waren von geschichtlicher Tragweite, während die fünfzig Jahre danach praktizierte Tradition darstellen.
Das wesentlichste Ergebnis der 1814 in Eidsvoll zusammengetretenen Volksversammlung war eine kurzfristige nationale Selbständigkeit, in der die Grundlage für eine dauerhafte Verfassung mit nationalen politischen Organen und Institutionen gelegt wurde. Jedoch schon Ende des Jahres wurde Norwegen an Schweden angegliedert. Die neue Verfassung aber blieb -- mit gewissen Modifikationen -- in Kraft.
Im gesamten politischen Geschehen dieses denkwürdigen Jahres war die Monarchie zu keiner Zeit umstritten. In den Monaten der Selbständigkeit und auch bei der Auflösung der Union wurde ein wesentliches Prinzip festgelegt: Das Grundgesetz stand über dem König. Erst wurde die Verfassung angenommen; dann wurde der König gewählt.
Damit bekam das System eine ideologische Basis, die sich als tragfähig erwies. Das Königtum wurde weder von Gott noch von den Fürsten abgeleitet, sondern war eine konstitutionelle, von den Volksvertretern angenommene Staatsform. So verschaffte sich die Monarchie nach den damaligen Maßstäben Legitimität. Wie dieser lose Begriff Substanz bekommen und ob er zur Verankerung der Monarchie beitragen würde, war in den folgenden Jahrzehnten eine Schlüsselfrage.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war von dem tief greifenden und lang anhaltenden Konflikt zwischen dem schwedischen König der Personalunion und dem norwegischen Storting (Parlament) gekennzeichnet. Der Streit galt -- so kann man es sagen -- dem Recht, den realpolitischen Schwerpunkt des Systems zu bestimmen. Er wurde parallel zu den auf nationaler Grundlage bestehenden widersprüchlichen Interessen der beiden Unionsstaaten ausgetragen. Außerdem muss er im Zusammenhang mit dem demokratischen Trend in Norwegen gesehen werden, mit dem Entstehen politischer Parteien, der Erweiterung des Stimmrechts und der Einführung des parlamentarischen Systems im Jahre 1884. Die Bauern, die Arbeiter und später die Frauen erkämpften sich einen Platz und politischen Einfluss in den Volksvertretungen.
Bei aller Kürze gehört zu diesem Abriss, dass die monarchische Verfassung, die Monarchie als Staatsform, entschieden weniger konfliktgeladen war als ihr Inhalt, die politische Machtausübung. Die Auseinandersetzung endete mit dem eindeutigen Sieg der norwegischen Nationalversammlung. Und der Sieg bestand eben darin, dass jedwedes Element reeller und persönlicher königlicher Gewalt beseitigt wurde -- und zwar schon im Jahre 1884 und unwiderruflich dann im Jahre 1905. Per Resolution setzte das Storting am 7. Juni 1905 den Unionskönig kurzerhand ab. Diese Tat, die der königlichen Gewalt den Todesstoß versetzte, verlieh zugleich der Monarchie größere Legitimität.
Ein paar zusätzliche Worte über die Ereignisse von 1905 werden dem Bild mehr Tiefe geben. Das Storting meldete sich aus der Union mit Schweden ab und kündigte dem Schwedenkönig die Gefolgschaft auf, erwähnte jedoch nicht die Monarchie. Dann bot die norwegische Regierung dem König an, einen schwedischen Prinzen für den nun freien norwegischen Thron zu ernennen. Das war taktisch gut ausgedacht, aber sicher nicht anti-monarchisch. In einem Referendum im August befürwortete das norwegische Volk den Beschluss fast einstimmig, ohne irgendwelche negativen Einstellungen gegen die Staatsform zu bekunden. Erst im Herbst wurde deutlich, dass es trotz allem starke republikanische Strömungen gab. Es kam zu einer wirklichen Konfrontation zwischen Republikanern und Monarchisten, die durch eine zweite Volksabstimmung gelöst wurde. Trotz der beträchtlichen Größe der republikanischen Minderheit war das Ergebnis eindeutig.
Somit bezeichnet das Jahr 1905 in der norwegischen Geschichte die Auflösung einer Union und die Absetzung eines Königs, dabei aber die Bewahrung einer Staatsform.
Was dieses Jahr noch bemerkenswerter macht, ist die Tatsache, dass sich die Nation jahrzehntelang gegen Schweden und die Macht des Königs gewehrt hatte. Die politischen Führer Norwegens -- unterstützt von ihren Wählern -- bewiesen in ihrer Fähigkeit, zwischen dem System und der Person zu unterscheiden, eine zum Teil verblüffende politische Reife. Außerdem zeigten die Republikaner eine wahrhaft demokratische Einstellung, indem sie sich loyal dem Willen der Mehrheit beugten. Solche Verhaltensweisen stärken die Legitimität eines Systems.
Die neue Monarchie wurde wie die alte um der Kontinuität willen erblich gemacht. Der neue Monarch aber wurde vom Storting gewählt. Das unterstreicht eine vielleicht noch wichtigere Linie, denn es herrschte nicht der geringste Zweifel, dass die konstitutionelle Monarchie von 1905 auf demokratischer Grundlage aufgebaut war.
Der Zeitraum von 1905 bis heute kann als fortlaufende Konsolidierung des ursprünglich geschaffenen Zustands betrachtet werden. Die Monarchie hat ihre gesetzliche Verankerung in Artikel 1 der Verfassung, in dem Norwegen als "ein Königreich" mit einer "beschränkten und erblichen monarchischen Regierungsform" beschrieben wird. Das bedeutet, dass die Monarchie durch eine Verfassungsänderung abgeschafft werden kann. Ein diesbezüglicher Vorschlag wird dem Storting regelmäßig zu Beginn jeder neuen Legislaturperiode vorgelegt. Das ist eine Pflichtübung der Republikaner und wird kaum ernst genommen, nicht einmal von ihnen selbst.
Die Stortingseferate sind hinsichtlich dieses Punkts pathetische Lektüre. Aber sie beleuchten außer der Tatsache, wie sehr der König die republikanische Seele beschäftigt, noch etwas anderes, nämlich wie innig die konstitutionelle Monarchie mit der politischen Demokratie verwoben ist. Eine "demokratische Monarchie" ist ein widersinniger Begriff. Aber die Welt der Realpolitik ignoriert dergleichen sprachliche Paradoxe. Anderes zählt mehr.
Die gesetzliche Grundlage unserer Staatsform hat ihr aktuelles Interesse vor langer Zeit schon eingebüßt. Sie ist kein politisches Thema. Wenn der Wortlaut der Verfassung weiterhin besagt, die vollziehende Gewalt liege beim König, dann weiß bald jedes Schulkind, dass damit der König im Staatsrat gemeint ist, also die Regierung. Und wenn gesagt wird, der König ernenne seinen "Rat", dann ist es ein seit mehr als hundert Jahren bestehendes Gewohnheitsrecht, dass das Storting durch parlamentarische Verfahren diese "Ernennung" entscheidet. Obendrein heißt es in der Verfassung, die Beschlüsse des Königs seien ohne Gegenzeichnung nicht gültig und die Verantwortung obliege nicht dem König, sondern seinem Staatsrat.
In der norwegischen Demokratie ist kein Platz für eine persönliche königliche Gewalt. In einer demokratischen Monarchie liegt das Gewicht auf der Konstitution, nicht auf dem Monarchen. Die Demokratie kann ohne ihn, aber nicht ohne die Konstitution auskommen.
Teil 2
Dennoch hat die Funktion des Monarchen in diesem System Schattierungen. Wo er keine reelle oder formelle Macht hat, kann er trotzdem Einfluss ausüben. Er fasst zwar keine Beschlüsse, seine Äußerungen aber haben Gewicht. Was er unverändert belassen möchte, kann er durch Tradition festigen. In jedem monarchischen System gibt es Nischen, die der Monarch -- seinen Fähigkeiten und Vorstellungen entsprechend -- ausnutzen kann.
In dieser Perspektive werden die Ansprüche der Monarchie und die Haltung des Monarchen eins. Oder -- wenn man so will: Die Funktion des Systems hängt davon ab, wie die Rolle ausgefüllt wird. "Der König" und die Regierung sind synonym. Die Einrichtung wird jedoch von der Person gestaltet, vom König als Person, nicht von ihm als "Der König".
Zwar ist die "Königsforschung" in unserem Land ein versäumtes Gebiet. Trotzdem lässt sich ein Muster erkennen. Es ist in der Vergangenheit und in der Gegenwart in drei verschiedenen Zusammenhängen sichtbar: im Alltag, bei einem Regierungswechsel und bei nationalen Krisen.
Die Alltagsrolle des Staatsoberhaupts in einer modernen Monarchie ist in erster Linie symbolischer Art. Der König vertritt Staat und Volk, er ist Zeremonienmeister par excellence. Er steht in Rang und Würde über allen anderen und hat weder Stimmrecht noch Steuerpflicht. Dass sich seine gesellschaftlichen Beziehungen auf einen sehr engen sozialen Kreis beschränken, schwächt dieses Bild nicht. Im norwegischen System ist kein Platz für einen politisierenden "Hof".
Die Mission des Monarchen ist es somit, seine täglichen Aufgaben zu erfüllen. Die Regierung fasst Beschlüsse, der König unterschreibt. Wenn der König vor norwegischen Seeleuten eine Rede hält oder sich in seiner Neujahrsansprache dem Zustand des Reiches widmet, dann ist er der König aus den Volksmärchen, der Landesvater, ob er nun dänisch oder norwegisch spricht. Der König hat bekommen, was ihm gebührt: Politisch gesehen ist er der machtlose Chef eines demokratischen Staates. Aber das Volk hat ebenfalls bekommen, was ihm zusteht.
Es gibt auch aus dem Alltag Beispiele dafür, dass der König versucht hat, die Grenzen seines anerkannten, persönlichen Einflusses zu überschreiten. Das geschah in der ersten Zeit nach 1905 und etwas dramatischer im Jahre 1913, als er mit der Abdankung drohte. Solche Fälle sind der Kontrast, der das Muster hervorhebt: die Unterordnung des Monarchen unter die politischen Führer des staatlichen Systems.
Regierungswechsel sind demgegenüber potentielle "königliche" Situationen. In solchen Zeiten hat der König normalerweise die Funktion, die Übergabe der politischen Macht vom Verlierer auf den Sieger der Wahlen zu vollziehen. Ist die parlamentarische Folge jedoch unklar, muss er nach eigenem Ermessen entscheiden. In diesen Fällen haben seine Handlungen politischen Gehalt. Das Kardinalbeispiel dafür lieferte König Haakon VII. im Jahre 1928, als er, entgegen dem Rat der zurücktretenden Regierung, die erste Arbeiterparteiregierung ernannte. Diese Tat trug zweifellos dazu bei, die grundlegend republikanische Linie der Arbeiterpartei zu verändern.
Solche Situationen zwingen dem König die Rolle eines politischen Akteurs auf. In Anbetracht der vielen Parteien des Stortings und der Aussucht auf weitere Minderheitsregierungen können schwierige politische Konstellationen auch in Zukunft vorkommen. Sie illustrieren die gegenseitige Abhängigkeit von System und Person.
Nationale Krisen sind seltener, und sie rücken die Stellung des Königs ins Zentrum. Im Zweiten Weltkrieg und während der Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht hatte König Haakon vielerlei Funktionen -- als Teilnehmer am täglichen Geschehen, als Symbol der nationalen Einheit. Sein entschiedenes "Nein!" als Antwort auf die Rücktrittsforderung der Deutschen am 10. April 1940 steht als Meilenstein in der Geschichte der Monarchie und des Landes. Seine Erklärung an die Regierung lautete: "Die Entscheidung liegt bei Ihnen! Ziehen Sie es aber vor, die deutschen Forderungen zu erfüllen, muss ich abdanken. Ich kann Quisling nicht zum Ministerpräsidenten ernennen." Einen deutlicheren "Rat" hat noch kein norwegischer Monarch seinen "Ratgebern" gegeben. Etwas zugespitzt könnte man sagen: In Nybergsund wurde -- wenn auch nur für wenige Stunden -- die persönliche Macht des Monarchen wiederhergestellt.
Danach kamen die langen Kriegsjahre. Von ihrem Exil in London aus vertrat die Regierung die norwegische Staatsmacht, jedoch ohne das Storting. Sie versuchte, soweit möglich die nationalen Interessen wahrzunehmen. Es war jedoch der König -- und diesmal eben als Person und nicht als "Monarch" --, der die Nation symbolisierte. So trug er auch dazu bei, die Institution Monarchie im öffentlichen Bewusstsein auf eine höhere Stufe zu heben.
Mit der Befreiung von 1945 schloss sich der Ring dieser Entwicklung. Die Rekonstruktion des politischen Systems verlief in Anbetracht der fünf Jahre währenden Turbulenz erstaunlich schmerzlos. Am selbstverständlichsten aber war die Wiedereinsetzung von Monarchie und Monarch. Selbst die Kommunisten -- damals auch in Norwegen eine mächtige Gruppe -- nahmen an dem überwältigenden Empfang teil, der dem heimkehrenden König Haakon bereitet wurde. Sie wussten mit sicherem Gespür, dass alles andere politischer Selbstmord gewesen wäre.
Olav V. folgte 1957 Haakon VII. auf den Thron. Sein Vater war der Held des Krieges, aber "populär" war er nie gewesen. Olav war der volkstümliche König, der Skiläufer, der Segler, der Bürger, der Straßenbahn fuhr, als in der Ölkrise das Sonntagsfahrverbot eingeführt wurde. In seiner Regierungszeit gab es weder größere politische noch nationale Krisen, die das System auf eine neue Probe gestellt hätten. Die Probleme des Alltags wurden relativ reibungslos gelöst. Harald V. regiert seit 1991. Er trägt ein großes Erbe auf seinen Schultern. Aber er braucht keinen unbekannten Boden zu beschreiten. Der Weg, der vor ihm liegt, ist hell erleuchtet und gut befestigt.
Zum alten Bild fügen sich neue Züge. So hat die Gleichstellungswelle auch den Palast überrollt. 1990 wurden weibliche Königskinder durch Änderung des Grundgesetzes mit den männlichen in der Erbfolge gleichgestellt. Der Königin wurde der Platz eingeräumt, der seit einem halben Jahrhundert leer stand. Sie hebt die symbolische Bedeutung der Familie hervor und nimmt wichtige Repräsentationsaufgaben wahr. Was ehedem fern vom Volk und erhaben war, ist heute schon alltäglicher dank der bürgerlichen Herkunft der Königin, der Neugierde der Medien auf das Privatleben hinter den Kulissen, der öffentlichen Diskussion der Restauration des Schlosses auf Kosten des Steuerzahlers, eines vorsichtigen Entgegenkommens der Wirtschaft gegenüber. Von Interesse ist die Mentalität des Kronprinzen, des kommenden Staatsoberhaupts. Seine Äußerungen lassen ein neues Rollenverständnis ahnen.
Einzelne neue Züge also. Und doch nichts, was auf einen Bruch der Kontinuität der bald hundertjährigen norwegischen Monarchie deuten würde. Sie hat ihre rechtliche Grundlage in der geschriebenen und im schriftlich nicht fixierten Teil der Verfassung. Sie hat eine politische Verankerung, indem sie als Staatsform nicht in Frage gestellt wird. Keine dieser Grundfesten wäre bei Sturm jedoch ausreichend, wenn es keine zusätzliche Sicherheit gäbe -- die Legitimität, die die Monarchie im öffentlichen Bewusstsein gewonnen hat.
Legitimität ist ein etwas diffuser Begriff. Er bezeichnet aber etwas ziemlich Konkretes: die Einstellung eines Volkes zu einem System; die Akzeptanz, die den Vertretern des Systems von den Vertretenen entgegengebracht wird; die Erwartungen, die an die Rolleninhaber gestellt werden, und die Art, wie diese Erwartungen erfüllt werden.
Hier soll keine Festrede gehalten, hier soll sachlich analysiert werden. Und eine solche Analyse ergibt, dass die drei Monarchen des modernen Norwegen zur Stärkung dieses Konsensus in jedem Punkt beigetragen haben. Sie hatten sicher kluge "Berater". Aber ihr Motto "Alt for Norge" (Alles für Norwegen) haben sie als bedingungslose Loyalität zum demokratischen System verstanden. Ein System und seine Träger hängen zusammen. Das eine läßt sich ohne das andere nicht verstehen.
Teil 3
Trotz allem kann man sich wohl fragen -- und in anderen Ländern wird diese Frage häufig gestellt: Wie kann ein Staat an einer Regierungsform festhalten, die aus globaler Sicht museumsreif ist? Die Frage entbehrt jedoch teilweise der Substanz. Eine Regierungsform, die so lange funktioniert hat, ist nur in den Augen derer antiquiert, die diese Form nicht verstehen. Nimmt man die Frage jedoch wirklich ernst, liegt die Antwort in dem, was ich gesagt habe. Diese Verfassung ist kein Hindernis für die Entwicklung einer modernen Gesellschaft gewesen und für die Möglichkeit des Volkes, seinen eigenen Weg zu wählen. Die Demokratie hatte einen guten Nährboden. Die Monarchie ist ein Rahmen, keine Bremse. Sie ist mindestens genauso demokratisiert worden wie die Demokratie "monarchisiert".
Eine bestimmte Staatsverfassung überlebt jedoch nicht nur, weil sie kein Hindernis ist. Ist die Monarchie demokratisch funktionell? Welche positiven Auswirkungen hat es, eine äußere Form beizubehalten, die altmodisch wirken mag?
An dieser Stelle sollte unterstrichen werden, dass die Zweiteilung an der Spitze des Staates den Inhabern der Stellungen sowohl machtpolitisch als auch der Funktion nach Grenzen setzt. Während die Position des Staatsoberhaupts über dem politischen Tagesgeschehen steht, übt der Regierungschef politische Macht aus, und seine Stellung ist deshalb kontroversiell. Die Staatsform und der Selbstlauf ihrer Traditionen sorgen dafür, dass die normalen Auseinandersetzungen zwischen Parteien und Gruppen um bessere Positionen in geregelten Formen ablaufen. Oben an der Spitze, fern vom Kampfgetümmel, wird zumindest etwas in diesem streitbaren Volk neutralisiert, befriedet und unter staatlichen Feiertagsschutz gestellt.
Auf dieser Ebene kann der Monarch die Vaterrolle spielen und Märchenkönig sein und unser aller Sehnsucht nach Träumen und Identifikation erfüllen. Er kann Einheit symbolisieren, wo sonst politische Spaltung herrscht; er kann der über Sonderinteressen erhabene Mittelpunkt sein. Das ist natürlich etwas Mystisches, ja Mythisches, in modernen Augen offenbar ein Relikt aus der Vergangenheit. Wie blind aber sind diejenigen, die ihren Sinn für das Irrationale vollkommen verloren haben!
Also ein ganz und gar konservatives Element, verknüpft mit Bürgerlichkeit, Kirche, Militär -- den Grundpfeilern der Gesellschaft? Sicherlich. Aber jede Systemloyalität ist konservativ. Unser System war nie reaktionär und ist es auch heute nicht. Andere Faktoren haben unsere Gesellschaft geformt: Technologie und Industrialisierung, Landwirtschaft und Industrie, Erdölfunde und Sicherheitspolitik. Die monarchische Staatsform war weder Bremsklotz noch Motor.
Viel des Gesagten trat beim Tod König Olavs in Erscheinung. Die Trauer des Volkes war echt. Sie war nicht nur Wehmut über das Hinscheiden eines alten Mannes; sie war persönliche Trauer über den Verlust eines Menschen, den viele liebten. Die Kerzen auf dem Schlossplatz in Oslo kann man pathetisch finden, sentimental. Aber haben sie nicht Tieferes symbolisiert -- echte Gefühle in einer Zeit, in der solche Artikel verschleudert werden?
Und noch mehr: In vielen Ländern -- vielleicht moderneren als Norwegen -- wird das Staatsoberhaupt durch eine Wahl, einen Staatsstreich oder nach einer Revolution ersetzt. Auch Mord kommt vor.
In Norwegen ist es anders. Still und ruhig wird -- nicht die Macht, sondern die Rolle -- vom Nachfolger übernommen. Das System als solches wird auf keinen Fall berührt, ganz im Gegenteil.
Die vollständige Bedeutung der Monarchie lässt sich nicht leicht beschreiben, die persönliche Rolle des Monarchen nicht leicht verstehen.
Erst wenn die Monarchie abgeschafft würde, würde ihre volle Bedeutung sichtbar werden.