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Teil 2

 

Dennoch hat die Funktion des Monarchen in diesem System Schattierungen. Wo er keine reelle oder formelle Macht hat, kann er trotzdem Einfluss ausüben. Er fasst zwar keine Beschlüsse, seine Äußerungen aber haben Gewicht. Was er unverändert belassen möchte, kann er durch Tradition festigen. In jedem monarchischen System gibt es Nischen, die der Monarch -- seinen Fähigkeiten und Vorstellungen entsprechend -- ausnutzen kann.

In dieser Perspektive werden die Ansprüche der Monarchie und die Haltung des Monarchen eins. Oder -- wenn man so will: Die Funktion des Systems hängt davon ab, wie die Rolle ausgefüllt wird. "Der König" und die Regierung sind synonym. Die Einrichtung wird jedoch von der Person gestaltet, vom König als Person, nicht von ihm als "Der König".

Zwar ist die "Königsforschung" in unserem Land ein versäumtes Gebiet. Trotzdem lässt sich ein Muster erkennen. Es ist in der Vergangenheit und in der Gegenwart in drei verschiedenen Zusammenhängen sichtbar: im Alltag, bei einem Regierungswechsel und bei nationalen Krisen.

Die Alltagsrolle des Staatsoberhaupts in einer modernen Monarchie ist in erster Linie symbolischer Art. Der König vertritt Staat und Volk, er ist Zeremonienmeister par excellence. Er steht in Rang und Würde über allen anderen und hat weder Stimmrecht noch Steuerpflicht. Dass sich seine gesellschaftlichen Beziehungen auf einen sehr engen sozialen Kreis beschränken, schwächt dieses Bild nicht. Im norwegischen System ist kein Platz für einen politisierenden "Hof".

Die Mission des Monarchen ist es somit, seine täglichen Aufgaben zu erfüllen. Die Regierung fasst Beschlüsse, der König unterschreibt. Wenn der König vor norwegischen Seeleuten eine Rede hält oder sich in seiner Neujahrsansprache dem Zustand des Reiches widmet, dann ist er der König aus den Volksmärchen, der Landesvater, ob er nun dänisch oder norwegisch spricht. Der König hat bekommen, was ihm gebührt: Politisch gesehen ist er der machtlose Chef eines demokratischen Staates. Aber das Volk hat ebenfalls bekommen, was ihm zusteht.

Es gibt auch aus dem Alltag Beispiele dafür, dass der König versucht hat, die Grenzen seines anerkannten, persönlichen Einflusses zu überschreiten. Das geschah in der ersten Zeit nach 1905 und etwas dramatischer im Jahre 1913, als er mit der Abdankung drohte. Solche Fälle sind der Kontrast, der das Muster hervorhebt: die Unterordnung des Monarchen unter die politischen Führer des staatlichen Systems.

Regierungswechsel sind demgegenüber potentielle "königliche" Situationen. In solchen Zeiten hat der König normalerweise die Funktion, die Übergabe der politischen Macht vom Verlierer auf den Sieger der Wahlen zu vollziehen. Ist die parlamentarische Folge jedoch unklar, muss er nach eigenem Ermessen entscheiden. In diesen Fällen haben seine Handlungen politischen Gehalt. Das Kardinalbeispiel dafür lieferte König Haakon VII. im Jahre 1928, als er, entgegen dem Rat der zurücktretenden Regierung, die erste Arbeiterparteiregierung ernannte. Diese Tat trug zweifellos dazu bei, die grundlegend republikanische Linie der Arbeiterpartei zu verändern.

Solche Situationen zwingen dem König die Rolle eines politischen Akteurs auf. In Anbetracht der vielen Parteien des Stortings und der Aussucht auf weitere Minderheitsregierungen können schwierige politische Konstellationen auch in Zukunft vorkommen. Sie illustrieren die gegenseitige Abhängigkeit von System und Person.

Nationale Krisen sind seltener, und sie rücken die Stellung des Königs ins Zentrum. Im Zweiten Weltkrieg und während der Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht hatte König Haakon vielerlei Funktionen -- als Teilnehmer am täglichen Geschehen, als Symbol der nationalen Einheit. Sein entschiedenes "Nein!" als Antwort auf die Rücktrittsforderung der Deutschen am 10. April 1940 steht als Meilenstein in der Geschichte der Monarchie und des Landes. Seine Erklärung an die Regierung lautete: "Die Entscheidung liegt bei Ihnen! Ziehen Sie es aber vor, die deutschen Forderungen zu erfüllen, muss ich abdanken. Ich kann Quisling nicht zum Ministerpräsidenten ernennen." Einen deutlicheren "Rat" hat noch kein norwegischer Monarch seinen "Ratgebern" gegeben. Etwas zugespitzt könnte man sagen: In Nybergsund wurde -- wenn auch nur für wenige Stunden -- die persönliche Macht des Monarchen wiederhergestellt.

Danach kamen die langen Kriegsjahre. Von ihrem Exil in London aus vertrat die Regierung die norwegische Staatsmacht, jedoch ohne das Storting. Sie versuchte, soweit möglich die nationalen Interessen wahrzunehmen. Es war jedoch der König -- und diesmal eben als Person und nicht als "Monarch" --, der die Nation symbolisierte. So trug er auch dazu bei, die Institution Monarchie im öffentlichen Bewusstsein auf eine höhere Stufe zu heben.

Mit der Befreiung von 1945 schloss sich der Ring dieser Entwicklung. Die Rekonstruktion des politischen Systems verlief in Anbetracht der fünf Jahre währenden Turbulenz erstaunlich schmerzlos. Am selbstverständlichsten aber war die Wiedereinsetzung von Monarchie und Monarch. Selbst die Kommunisten -- damals auch in Norwegen eine mächtige Gruppe -- nahmen an dem überwältigenden Empfang teil, der dem heimkehrenden König Haakon bereitet wurde. Sie wussten mit sicherem Gespür, dass alles andere politischer Selbstmord gewesen wäre.

Olav V. folgte 1957 Haakon VII. auf den Thron. Sein Vater war der Held des Krieges, aber "populär" war er nie gewesen. Olav war der volkstümliche König, der Skiläufer, der Segler, der Bürger, der Straßenbahn fuhr, als in der Ölkrise das Sonntagsfahrverbot eingeführt wurde. In seiner Regierungszeit gab es weder größere politische noch nationale Krisen, die das System auf eine neue Probe gestellt hätten. Die Probleme des Alltags wurden relativ reibungslos gelöst. Harald V. regiert seit 1991. Er trägt ein großes Erbe auf seinen Schultern. Aber er braucht keinen unbekannten Boden zu beschreiten. Der Weg, der vor ihm liegt, ist hell erleuchtet und gut befestigt.

Zum alten Bild fügen sich neue Züge. So hat die Gleichstellungswelle auch den Palast überrollt. 1990 wurden weibliche Königskinder durch Änderung des Grundgesetzes mit den männlichen in der Erbfolge gleichgestellt. Der Königin wurde der Platz eingeräumt, der seit einem halben Jahrhundert leer stand. Sie hebt die symbolische Bedeutung der Familie hervor und nimmt wichtige Repräsentationsaufgaben wahr. Was ehedem fern vom Volk und erhaben war, ist heute schon alltäglicher dank der bürgerlichen Herkunft der Königin, der Neugierde der Medien auf das Privatleben hinter den Kulissen, der öffentlichen Diskussion der Restauration des Schlosses auf Kosten des Steuerzahlers, eines vorsichtigen Entgegenkommens der Wirtschaft gegenüber. Von Interesse ist die Mentalität des Kronprinzen, des kommenden Staatsoberhaupts. Seine Äußerungen lassen ein neues Rollenverständnis ahnen.

Einzelne neue Züge also. Und doch nichts, was auf einen Bruch der Kontinuität der bald hundertjährigen norwegischen Monarchie deuten würde. Sie hat ihre rechtliche Grundlage in der geschriebenen und im schriftlich nicht fixierten Teil der Verfassung. Sie hat eine politische Verankerung, indem sie als Staatsform nicht in Frage gestellt wird. Keine dieser Grundfesten wäre bei Sturm jedoch ausreichend, wenn es keine zusätzliche Sicherheit gäbe -- die Legitimität, die die Monarchie im öffentlichen Bewusstsein gewonnen hat.

Legitimität ist ein etwas diffuser Begriff. Er bezeichnet aber etwas ziemlich Konkretes: die Einstellung eines Volkes zu einem System; die Akzeptanz, die den Vertretern des Systems von den Vertretenen entgegengebracht wird; die Erwartungen, die an die Rolleninhaber gestellt werden, und die Art, wie diese Erwartungen erfüllt werden.

Hier soll keine Festrede gehalten, hier soll sachlich analysiert werden. Und eine solche Analyse ergibt, dass die drei Monarchen des modernen Norwegen zur Stärkung dieses Konsensus in jedem Punkt beigetragen haben. Sie hatten sicher kluge "Berater". Aber ihr Motto "Alt for Norge" (Alles für Norwegen) haben sie als bedingungslose Loyalität zum demokratischen System verstanden. Ein System und seine Träger hängen zusammen. Das eine läßt sich ohne das andere nicht verstehen.


 

 

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